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Putting the pieces together

Posted in Fachliches by arnekittler on Januar 6, 2011

Putting the pieces together.

Gerade zum Jahreswechsel macht man sich als Berater ja so seine Gedanken über Dinge die im nächsten Jahr auf einen selbst und das berufliche Umfeld zukommen. Mein Delicious-Account ist voll von Listen mit Trendprognosen und sonstigen Überlegungen, was 2011 los sein wird. Einen Aspekt den ich dabei bisher vermisse möchte ich in diesem Post anreissen und hoffentlich bald in weiteren Beiträgen ergänzen:

Ich glaube, dass es 2011 für Unternehmen und ihre Dienstleister elementar wird, Strategien für ein sinnvolles Zusammenspiel aller Kommunikations- und Transaktionsaktivitäten im digitalen Raum zu finden. Das klingt zunächst trivial, andererseits fällt mir zumindest kein Beispiel ein, wo das bereits jetzt überzeugend realisisert wird.
Im Gegenteil: Momentan verstricken sich viele Unternehmen im Dschungel aus eigener Webpräsenz, Social Media Profilen, eigenem Shop, externem Shop-in-Shop oder Marketplace-Angebot, Abverkauf über Shopping Clubs, Paid Traffic und Earned Traffic und zusätzlicher Komplexität durch eine wachsende Vielfalt an Nutzungsgeräten und -kontexten. Die gute alte 360°-Kommunikation war dagegen Pipifax – und selbst die bleibt auch nach 10 Jahren für die meisten Unternehmen ein schöner Buzzword-Traum. Abgesehen davon gehört der Mix digitaler Möglichkeiten ja auch in jede 360° Betrachtung – darf dabei nur eben nicht versehentlich als ein Posten „Online“ subsummiert werden.

Es gibt viele Gründe, warum die unterschiedlichen Maßnahmen momentan zumeist isoliert oder maximal in verwandten Kleingruppen betrachtet und bearbeitet werden:

  • Der Raum der möglichen Maßnahmen ist größer denn je zuvor und es kommen ständig neue Möglichkeiten hinzu. Da hat man sich z.B. gerade mal eine Meinung zu iOS und Android gemacht, da kommen mit WP7 und Bada weitere mobile Betriebssysteme mit z.T. gänzlich anderen Rahmenbedingungen ins Betrachtungsfeld.
  • Die Verantwortung für diese Maßnahmen werden auf Unternehmensseite innerhalb der Organisation verteilt und für eine erfolgreiche Durchführung der Maßnahmen kommt ein bunter Mix an spezialisierten Dienstleistern zum Einsatz. Um Spezialisten wird man auch in Zukunft nicht herumkommen, man kann aber nicht davon ausgehen, dass sich viele auf ihre individuellen Maßnahmen fokussierten Spezialisten wie von Geisterhand selbst im Interesse des Gesamtwohls organisieren.
  • Während sich für klassische Online-Marketing und -Vertriebsprinzipien in den letzten 10 Jahren allmählich Best Practices etabliert haben und entsprechene Erfahrungswerte auch auf Unternehmensseite aufgebaut werden konnten, sind jüngere Themen wie Social Media und Mobile noch in sehr dynamischer Aufbruchstimmung begriffen. Das ist zwar für alle Beteiligten spannend, führt aber häufig zu Bauchentscheidungen, die von entsprechend größerer Willkür geprägt sind.
  • Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass neue Entwicklungen den etablierten Betätigungsfeldern motivatorisch leicht den Rang ablaufen können. So bietet z.B. das Facebook Profil einem Marketing-Verantwortlichen verführerische Möglichkeiten, komplett ohne die Unterstützern von Dienstleistern mit Kunden in Kontakt zu bekommen, einfach auszuwertendes und sofortiges Feedback zu bekommen usw. Darüber darf man sich auch freuen, der direkte Appeal dieser Maßnahmen darf aber m.E. nicht dazu führen, dass andere Aktivitäten wie z.B. die eigene Markenwebsite verwaisen.
  • Sowohl Social Media als auch die größere Breite an Nutzungskontexten durch neue Device-Klassen (Smartphone-Nutzung unterwegs; Tablets und generelles Media Stacking bei der häuslichen Mediennutzung auf dem Sofa usw.) erfordern komplett neue Inhaltsstrategien, bei denen die in den letzten Jahren verstärkt zu beobachtenden Standardisierungsprozesse zur Adaption oder Mehrfachverwendung von Inhalten komplett ins Leere laufen.

Diese Liste ist nicht abschließend und die Gründe zum Teil auch so tief im Kontext der Unternehmen verwurzelt, daß man nicht davon ausgehen kann, dass sie sich kurzfristig in Luft auflösen.
Andererseits stehen in den kommenden Monaten für Unternehmen Fragen von strategischer Tragweite an.
Zwei Beispiele:

  • Angebote für Smartphones und Tablets werden 2011 von der Kür zur Pflicht. Ohne eine differenzierte und erweiterbar ausgelegte Multi-Device-Strategie kann man dabei wichtige Entwicklungen verschlafen, viel Geld versenken oder riskiert mit halbgaren Lösungen die Nutzer zu verärgern. Nur wenigen Unternehmen wird es dabei schon im nächsten Jahr gelingen, auch auf inhaltlicher Ebene eine schlüssige Multiscreen-Strategie mit kontextbezogen ineinandergreifendem Wechselspiel zwischen mehreren Devices zu realisieren – aber zumindest die Basis dafür muß kurzfristig gelegt werden.
  • Die Frage des Wechselspiels und der Rollenverteilung zwischen eigener Webpräsenz und Präsenzen auf externen Plattformen (insb. Facebook) wird in den USA seit Q3 letzten Jahres diskutiert (z.B. hier) und muss in den nächsten Monaten auch von deutschen Unternehmen angegangen und geklärt werden. Dabei müssen aber auch die flankierenden Maßnahmen und Kanäle berücksichtigt werden, um etwa zu klären wo der Traffic denn eigentlich hingeführt werden soll und wo bei welchen Usecases der geplante Zielpunkt der Maßnahmen verortet ist.

Bedingt durch Fragen wie diese müssen Unternehmen kurzfristig ihre strukturelle Aufstellung überprüfen und den neuen Rahmenbedingungen anpassen.
Einerseits geht es dabei um konkret zu füllende Kompetenzlücken. Dabei kann man leicht der Versuchung erliegen, über neue Wegdeligier-Rollen wie die eines Social Media Officers kurzfristige Krücken zu bauen, die von tiefergehendem Veränderungsbedarf ablenken.
Zum anderen muß auch die grundsätzliche Verortung der Verantwortung für den digitalen Gesamtkontext neu gedacht werden. Die Prozesse und Veränderungen, um die es hier geht haben zwar meistens etwas mit Kommunikation zu tun, sind aber deshalb nicht automatisch in den Marketing-Abteilungen gut aufgehoben. Klar ist Marketing in vielen Unternehmen ein wichtiger Treiber für konkrete Maßnahmen – viel relevanter ist aber die längerfristig und prozessual-strukturell ausgerichtete Sicht, für die in Marketing-Abteilungen häufig die Aufmerksamkeit fehlt.

Es gibt also viel zu tun!
Ich stimme David Gilbert zu, dass es in diesem Kontext mehr denn je darauf ankommt, Strategien anwendbar zu machen und aus dem Elfenbeinturm der dedizierten Strategen herauszuholen.
Gerade deshalb bin ich (zugegebenermaßen nicht ganz unbefangen) überzeugt, dass wichtige Beiträge zur Entwicklung dieser Strategien nicht von großen Consultancies, unternehmensinternen Strategiestabsstellen oder Kommunikationsagenturen ausgehen können, sondern von erfahrenen Beratern mit handfestem Anwendungsbackground in den digitalen Medien. Die nötigen Tools und Modelle müssen dabei noch entwickelt werden, aber zumindest ich freue mich auf die damit zusammenhängenden Aufgaben im neuen Jahr. In diesem Sinne: Happy 2011! :O)

10 Antworten

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  1. Stephan Ritter said, on Januar 6, 2011 at 8:50 am

    Guter Artikel. Wenn der Dirigent die Instrumente nicht versteht wird’s nix mit der Orchestrierung..

  2. Indra Schlachter said, on Januar 6, 2011 at 10:32 am

    Sehr schöner Artikel. Mit der Verantwortung im Unternehmen sprichst Du m.E. etwas an, was wirklich eine große Herausforderung an. Die Möglichkeiten in der digitalen Welt sind mittlerweile so breit gestreut und betreffen so viele unterschiedliche Gebiete an, dass das wahrscheinlich in traditionellen Unternehmensstrukturen keinen passenden Aufhänger mehr findet. Marketing, Unternehmenskommunikation, Service, Unternehmensorganisation, … wer ist wofür zuständig? Wahrscheinlich wird es weiterhin an unterschiedlichsten Stellen platziert sein. Unabhängig davon werden die besten Ergebnisse erzielt, wenn man die richtigen/den richtigen Sparringspartner hat und immer das Gesamtbild in Betracht zieht. Dabei sind sicherlich Personen mit hoher digitaler Kompetenz unbedingt notwendig, je nach Projekt und Ziel denke ich aber, dass der Lead durchaus auch in anderen Bereichen liegen kann.

  3. […] This post was mentioned on Twitter by Stephan Ritter. Stephan Ritter said: RT @ArneKittler: Mein Blogeintrag als Ausblick zum Jahreswechsel: Putting the pieces together http://tinyurl.com/37ktenv […]

  4. Arno Karrasch said, on Januar 6, 2011 at 10:38 am

    Da schliesse ich mich an, guter Artikel. Allerdings sollte man nicht die Strukturen in den Unternehmen vergessen, die noch nach alten Silo-Paradigmen ausgerichtet sind und deren Umbau eben seine Zeit braucht. Bis dahin sind ganzheitliche Konzepte relativ schwer umzusetzen.
    Und: Begriffe wie 360Grad Kommunikation oder serviceorientierte Architekturen wurden leider zu früh ins Spiel gebracht und zu schlecht umgesetzt und sind in vielen Unternehmen verbrannt.

    • arnekittler said, on Januar 6, 2011 at 11:00 am

      Die Silos sind in der Tat eine der größten Hürden, trotzdem bin ich zuversichtlich, dass sich zunehmend das Bewusstsein durchsetzen wird, dass das längerfristig nur schwer überlebensfähig ist. Wie schnell dann die nötigen Änderungen der bloßen Erkenntnis folgen steht auf einem anderen Blatt.
      Und Du hast recht: die gut gemeinte aber vielfach falsch verstandene 360° Kommunikation hat vermutlich mehr verbrannte Erde hinterlassen als sie im Sinne einer vorbereitenden Perspektivänderung nützt.

  5. Sven said, on Januar 6, 2011 at 11:07 am

    Gefällt mir!

  6. christian riedel said, on Januar 6, 2011 at 12:06 pm

    Hej Arne,

    klasse Artikel, dervieles auf den Punkt bringt.
    Vor allem, dass man technischem Wandel und der steten differnzierung von Kommunikationsmitteln nicht mit Task Forces und Managern begegnen kann. Nach dem Social Media Manager kann ja nicht gleich der AR-Manager, der Social Gaming Manager oder der location Based manager kommen.

    All die Möglichkeiten die Marketing heute bietet, vergleiche ich gerne mit einem Baumarkt. Wenn ich mein Projekt nicht kenne, kann ich die Werkzeuge schlecht wählen.

    • arnekittler said, on Januar 6, 2011 at 12:08 pm

      Die Baumarkt-Analogie gefällt mir :O)

    • Arno Karrasch said, on Januar 7, 2011 at 12:56 pm

      Ein schöner Vergleich. Aber wie kommt es denn, das in vielen Projekten schon lange vor einem Grobkonzept fest steht, welche Tools angeschafft werden? 😉

      • arnekittler said, on Januar 7, 2011 at 1:55 pm

        Absolut! Wir müssen weg von Lösungen, die an vorgefertigten Entscheidungen über die Umsetzung ausgerichtet werden. Das ist ja u.a. auch einer der Grundansätze von 4RK Consulting, erstmal möglichst losgelöst von Umsetzungsoptionen zu gucken, worum es eigentlich im Kern geht.


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